Daintree Rainforest – Abenteuer Regenwald oder was?

21. Februar 2018 4 Von Nicole

Mein nächster workaway-Job führ mich in den Daintree Rainforest, das grösste zusammenhängende Regenwaldgebiet Australiens und gleichzeitig einer der ältesten noch intakten tropischen Regenwälder der Erde. Ich bin sehr gespannt, was mich hier erwartet.

Mit dem Minibus fahre ich von Cairns aus an der Küste entlang nach Norden. Der Fahrer unterhält uns mit schaurigen Geschichten von Menschen fressenden Krokodilen und diversen Schlangenstories. Bald hat er uns soweit, dass wir am liebsten gar nicht mehr aus dem Bus wollen. Selbstverständlich lacht er das hinweg – echt aussie halt – sie scheinen richtig stolz auf ihr ganzes giftiges und gefährliches Getier zu sein! 

Wir machen einen kleinen Zwischen-stop an einer jump base für paraglider. Zwei Flieger warten auf die richtige Thermik und ich würde das wahnsinnig gerne mal sehen (hab ich mir doch ernsthaft schon überlegt, mal so einen Sprung zu wagen). Aber nach einer Viertelstunde tut sich noch immer nichts und so müssen wir unverrichteterdinge weiterfahren. In dem kleinen Städtchen Port Douglas bin ich mit meiner neuen Gastgeberin und einer weiteren workawayerin verabredet.

Eine Frau mittleren Alters mit einer dicken Wollmütze auf dem Kopf kommt auf mich zu, stellt sich als Tina vor und beginnt dann, mich auf eine etwas verwirrende Art und Weise zuzutexten. Ich bin ein bisschen überfordert und weiss gar nicht, was ich jetzt machen soll. Eine junge Frau kommt auf uns zu, stellt sich als Isobel vor und zieht die Aufmerksamkeit unseres hosts auf sich, als sie erklärt, sie müsse dann schon früher wieder abreisen und wie sie denn das organisieren könnte und überhaupt…..hmmm, alles ein bisschen „weird“ (seltsam, komisch).

Na egal, wir gehen erstmal zu dritt einkaufen und Tina sagt, wir würden für uns drei workawayer kochen (aha, da ist also noch einer!) und eventuell noch für ihre alte Mutter ein bisschen was, oder auch nicht oder nur manchmal. Äh, jaaa…….??????? Und wir sollten alles einkaufen, was wir dazu bräuchten. Aber ein paar Sachen hätte sie auch noch zuhause. Doppelt müsste ja auch nicht sein. ????? Isobel und ich schauen uns vewirrt an und beginnen dann schulterzuckend mit dem Einkauf. Immer wieder fragen wir nach, ob es so ok ist und was denn der dritte workawayer so braucht und nach einer ziemlichen Zeit haben wir einen grossen Berg Lebensmittel eingekauft (ich bezweifle, dass wir das alles brauchen, aber gut).

Wir quetschen uns, unsere backpacks und den gesamten Einkauf irgendwie in Tinas kleines weisses Auto und los geht es in Richtung Cow Bay und in mein neues Abenteuer.

Der dritte workawayer, ein junger Franzose wohnt in der „shed“ (Hütte), die gerade als Wohnhaus umgebaut wird. Ein Teil des aktuellen Projektes, so erfahren wir während der Fahrt. Aha, und er wohnt da auf der Baustelle???? Es gibt auch noch ein kleines Haus, wo sie und ihre gehbehinderte Mutter wohnen, lässt uns Tina weiterhin wissen, aber das will sie jetzt verkaufen und in die „shed“ ziehen. Und das Ferienhaus will sie auch verkaufen. Am liebsten beides zusammen. Oder auch einzeln. Aber lieber zusammen. Und ja, da wohnt und arbeitet jetzt der Franzose. Und wir würden dann zusammen essen. Also wir drei. Und sie esse sowieso kaum etwas, nur so zwischendurch. Und das Essen für ihre Mutter würde sie dann einfach mal so abholen, zwischendurch. ????? Ich bin noch immer verwirrt, Isobel schaut ebenfalls ein wenig überfordert aus und uns beiden schwant, dass dies eventuell ein denkwürdiger Aufenthalt werden könnte.

Wir fahren sicher eine Stunde bis Tina plötzlich in den Wald abbiegt, einen Schotterweg entlang fährt und dann vor einem kleinen Wohnhaus hält. Huh, mein Herz macht einen Hüpfer – das ist ein „richtiges“ Haus! Gott sei Dank!

Es ist das Ferienhaus und für die kommenen zwölf Tage mein und Isobles Zuhause. Und das ist jetzt mal richtig, richtig chic. Zwei grosse Schlafzimmer mit kingsize Betten, ein modernes Bad, eine voll ausgestattete Küche, Wohn- und Esszimmer in einem. Ein grosser Fernseher und auf der Veranda nochmal Tisch und Stühle, sowie eine Hängematte. Wir beide sind schon mal im Glück! 😀 Es riecht zwar ein bisschen muffig, aber hey!, wen stört das? Rund um das Haus zieht sich ein kleiner Garten mir mannshohem Zitronengrass, Thaiingwer und Bambusgebüsch, dann schliesst sich nahtlos der Busch an. Es ist herrlich!!

Wir laden die Einkäufe aus, bestücken den Kühlschrank und wenn wir fertig sind sollen wir einfach hoch zum kleinen Haus kommen. Neugierig machen wir uns auf den Weg. Das so genannte kleine Haus ist aus Holzplanken zusammengezimmert und besteht zu einem Gutteil aus einer überdachten Terrasse. Das Dach ist aus Wellblech und an dem ganzen Ding wird offensichtlich immer wieder herumgebaut. Es sieht schon stabil aus, aber eigentlich nicht so richtig wie ein Wohnhaus. Innen ist alles vollgestellt mit Möbeln, die vollgestellt sind mit irgendwelchem Kram. Ein Fernseher brüllt. Die alte Dame davor nimmt keinerlei Notitz von uns – das muss die Mutter sein.

Ein junger Mann kommt mit blossem Oberkörper und schweissglänzend auf uns zu – Andrien, der dritte workawayer. Er und Tina zeigen uns nun die „shed“. Eine achteckige Hütte, vielleicht fünf Meter im Durchmesser, ohne Wände, das Dach aus Wellblech grob zusammengezimmert. Überall stehen alte Möbel herum, Werkzeuge und Holzstücke liegen auf jeder freien Fläche. Mittendrin ein Bett mit Moskitonetz aussen herum, ein kleiner Rucksack, ein Buch und ein paar Schuhe. Hier wohnt also der Franzose -ich bin fassungslos. Er trägt es mit Nonchalance und schlägt unser Angebot, bei uns im Haus zu wohnen aus.

Also Fazit: das Ferienhaus ist klasse und ich bin sehr zufrieden mit meiner Unterkunft. Sowohl das aktuelle Wohnhaus von Tina und ihrer Mutter, als auch die Hütte sind als Wohnraum eine Zumutung. Aber ich freue mich, eine richtige Küche zu haben und das tägliche Kochen ist mir ein Vergnügen (Merke: nimm dem Menschen lange genug seinen Alltag weg und plötzlich wird er noch die alltäglichsten Dinge wertschätzen!) Einmal back ich sogar Brot und Isobel macht australisches Bananenbrot – Tina ist mit unserer Kocherei sehr zufrieden und folgt jeder unserer Einladungen, mit uns zu essen. Im Laufe der Zeit lernen Isobel und ich uns ganz gut kennen und wir haben viele gute Gespräche. Es ist sehr wohltuend, einmal mit jemandem über mehr als das Wetter und Reiseerlebnisse sprechen zu können. Und ein kleiner Austausch über unseren host Tina und ihre unkonventionelle Art zu leben, sowie ihren, sagen wir mal gewöhnungsbedürtigen Umgang mit uns tut auch sehr gut. Nicht falsch verstehen: sie ist sehr nett und grosszügig, bloss immer irgendwie verwirrend in ihren Anweisungen und Aussagen. Und sie läuft immer, immer (!) mit einer Wollmütze auf dem Kopf herum (es hat übrigens dreissig Grad hier!) (Sie hat Haare!) 😉

Die Arbeit ist in Ordnung und besteht für mich hauptsächlich aus Gartenarbeit, was aufgrund der Hitze zwar schweisstreibend aber nicht hart ist. Manchmal helfe ich auch irgendwelches Baumaterial durch die Gegend zu schleppen und einen Tag graben wir Zitronengrass an einer Stelle aus und pflanzen es an anderer Stelle wieder ein. So Zeug halt…. Meistens haben wir mehrere Jobs gleichzeitig am Laufen und machen morgens hier etwas und nachmittags dort etwas. Für einen deutschen Geist – strukturiert, effizient und zielorientiert – ist dieses Vorgehen oft schwer nachvollziehbar, aber was soll’s?! Ist ja nicht mein Projekt.

Interessanter sind die Ausflüge, die wir an unseren freien Tagen machen. Beispielsweise zur Cow Bay, wohin wir gemütlich in zwanzig Minuten spazieren können. Hier wächst der Regenwald direkt bis an den Strand, was eine biologische Sensation für die Wissenschafler ist, für uns allerdings einfach nur schön. 😀

Einen Tag fährt Tina uns herum und zeigt uns alle möglichen interessanten Plätze, schöne bushtracks, Mangrovenwälder und krokodil-verseuchte Flüsse. Am Ende dieses Tages treffen wir auf einen australischen Ureinwohner, den man nur sehr selten zu Gesicht bekommt. Schau mal……. (Video Klick)

Das ist ein Cassovary. Drittgrösster Vogel (flugunfähig) der Welt. Schön, oder? Ich war ganz aus dem Häuschen und in meiner Hast, ein Video und Fotos zu machen, hab ich alle Bilder verwackelt. Sorry 😉

Der schönste Ausflug im Daintree Rainforest war eine Wanderung im Fluss. Schon früh am Mrgen starten wir, Tina fährt uns bis zum Ausgangspunkt und verspricht, uns am Nachmittag wieder abzuholen. Der Fluss ist sicher krokodilfrei und so machen wir uns guten Mutes auf den Weg tief in den Busch. Es gibt keinen Weg, sondern nur den Fluss und die meiste Zeit waten wir in flachem Wasser und klettern über Kiesel, Steine und Felsbrocken und kommen so immer tiefer in den unberührten Regenwald. Natürlich treffen wir hier keinen Menschen.

Die Natur ist wild und wunderschön. Die unglaublich vielen verschiedenen Grüntöne und die Vielfalt der Pflanzenwelt begeistern mich mal wieder

Nach mehreren Stunden Fussmarsch gelangen wir an das Ziel unserer Wanderung: einen Wasserfall mit Pool. Wir bestaunen ihn ausgiebig und springen dann mutig in die (natürlich eiskalten!!) Fluten.  Spitze Schreie und lautes Prusten tönen durch den Wald aber wenn sich der Körper erstmal daran gewöhnt hat tut die Abkühlung richtig gut! Nach einem ausgiebigen Picknick machen wir uns auf den Rückweg und obwohl wir den Fluss nun schon ein wenig kennen müssen wir uns doch den Weg erneut suchen und immer sehr vorsichtig einen Fuss vor den anderen setzen. Die Steine sind oft glitschig und mehr als einmal flucht einer von uns und kann einen Sturz gerade noch (oder auch nicht) verhindern.

 

Wilde Tiere begegnen uns keine unterwegs, ausser dieser kleinen Wasserschlage (Klick für Video) und einer Menge Schmetterlinge. Ich erwähne das extra, weil man im Fernsehen immer den Eindruck bekommt, eine Wanderung im australischen Wald wäre sehr gefährlich und hinter jeder Ecke lauere ein wildes, giftiges Tier, das es auf einen abgesehen hätte. So ist das aber nicht! Natürlich gibt es hier tatsächlich eine Menge giftiges Getier, aber das verzieht sich normalerweise wenn ein Mensch angetrampelt kommt. In meiner gesamten Zeit in Australien (immerhin fast sechs Monate) habe ich nur drei Schlangen gesehen, keine davon war aggresiv. Keine einzige der Spinnen, die ich gesehen habe war giftig und Skorpione hab ich gar keine gesehen.

Aufpassen muss man trotzdem, denn es gibt beispielsweise eine nette Pflanze, die wie eine dünne Liane herunterhängt aber lauter Stacheln mit Widerhaken hat, die sich einfach überall festkrallen. Nicht weiter schlimm wenn sie nur dein Shirt erwischen, unangenehm wenn sie sich in Haut oder Haaren verhaken. Die Australier nennen diese nette Pflanze liebevoll „wait a while“ (warte eine Weile), was ja durchaus passend ist. Auch sonst gibt es eine ganze Menge stacheliges Zeug. Schau mal hier:

 

 

 

 

 

Zurück zuhause bleibt uns nur noch ein Tag, dann reist Isobel ab und ich habe das ganze Haus für mich alleine. Was sich jetzt aber auch irgendwie komisch anfühlt. Wieviel Platz braucht man eigentlich so? Ich habe nie verstanden, warum zwei Leute einen Wohnraum von 300 Quadtratmetern brauchen, aber in den letzten Monaten habe ich doch bemerkt, dass ich auch mit sehr wenig Platz gut zurechtkomme und kein bisschen unglücklich bin. Rückzug und Privatsphäre ist schon notwendig, aber wieviel echten Raum braucht man dazu?

Das Tollste an meinem ganzen Aufenthalt hier ist die Nähe zum Regenwald. Wenn ich morgens aufwache, dann höre ich die Geräusche des Waldes und wenn ich mich zum Lesen in die Hängematte kuschele dann kann ich mich nicht auf die Geschichte konzentrieren weil ich dem Flüstern des Windes in den Bäumen zuhören möchte und all das Grün, das im Sonnenschein regelrecht erstrahlt in mich hineinatmen will. Das ist einfach grossartig!

An unserem letzten Tag (Adrien und ich reisen gleichzeitig ab) macht Tina nochmal einen grossen Ausflug mit uns. Sie fährt mit uns über die Dörfer bis ganz nach Cairns. Unterwegs besuchen wir eine Kaffeeplantage, eine Grossmolkerei mit Schokoladenproduktion und eine Pflegestation für Fledermäuse. Die Schokoladen-produktion stellte sich leider als fake heraus, denn hier werden zwar Pralinen hergestellt, allerdings wird die Rohware (Schokolade) hierfür aus der Schweiz importiert. Die Käseherstellung ist für heute auch schon abgeschlossen und ich kann durch die Schaufenster nur noch einen Mann beobachten, der in Schutzkleidung und Gummischürze die gesamte Herstellungsstrasse mit einem Dampfdruckreiniger säubert. Als er sich umdreht sehe ich, dass er keine Hosen sondern bloss Shorts trägt (Bitte stell dir das vor: Gummistiefel, nackte Männerbeine, Shorts, Shirt und darüber eine Gummischürze! Zum Schiessen…..). Made my day

Die Kaffeplantage war interessant und der Kaffe sehr lecker. Das Highlight allerdings war tatsächlich die Fledermausstation. Hier werden verletzte Tier aufgenommen, aufgepäppelt und wenn möglich wieder in die Freiheit entlassen. Das Hauptproblem für Fledermäuse ist Stacheldraht. Sie fliegen hinein, verheddern sich und müssen meist elend sterben. 

Hier erfahre ich, dass es rund 900 verschiedene Arten von Fledermäusen gibt, wobei die grössten Exeplare schon mal eine Spannweite von 60-90cm aufweisen können, während die Kleinsten es nur auf ein Gewicht von rund 20g bringen. Die Leiterin der Station führt uns herum und dabei trägt sie eine kleine Fledermaus am Körper, andere sind in warme Decken gehüllt. Die Tiere seinen sehr kälteempfindlich und besonders Jungtiere würden durch Wind und Kälte leiden. Sie zeigt uns einen uralten Flughund, der richtig klapprig ist und daher nicht mehr ausgewildert werden kann. Kopfüber hängt er im grossen Fluggehege, hangelt sich zum Wasserspender und wieder zurück zu den aufgehängten Früchten. Wir erfahren, dass es fruchtfressende Fledermäuse gibt (das sind übrigens die meisten) und insektenfressende. Blut saugende Gattungen gäbe es keine, fügt sie noch schmunzelnd hinzu.

Also, mal ganz ehrlich, so aus der Nähe betrachtet sehen die Viecher echt niedlich aus, oder was meinst du? (Klick für Video)

Als letzte Station unseres Ausflugs besuchen wir das kleine Städtchen Yungaburra. Hier stehen eine Menge historischer Gebäude und geben der Erinnerung an die „gute alte Zeit“ Raum. Kleine, liebevoll dekorierte Cafés und skurrile Läden, die zum einen Medikamente und zum anderen Fischereibedarf verkaufen geben dem Städtchen einen eigenwilligen Charakter. Das alte Hotel lässt einen tatsächlich and Squatter, Goldgräber und Glücksritter denken. Und in dem riesigen Buchladen gibt es Schmökerstoff aus ganz alten Zeiten zu entdecken.

Erst am späten Nachmittag kommen wir in Cairns an. Tina hat es nun eilig, denn sie muss ja auch wieder die ganze Strecke zurückfahren. Adrien geht direkt zum Flughafen und ich gehe für eine Nacht in mein altes Hostel bevor ich morgen früh nach Ayer’s Rock fliege. Uluru, ich komme!! 😀