Fortsetzung: Mount Cook, Lake Tekapo und Christchurch

17. August 2017 2 Von Nicole

Was für eine grossartige, wunder-wunderschöne Landschaft, oder? Ich bin total hin und weg und habe hier ein neues Level an Glücklichsein erreicht.

                                                                                       Ich sitze einfach mal eine kleine Ewigkeit an diesem Gletschersee und starre auf die ersten Eisberge meines Lebens. Bloss kleine und nicht gleich der Nordpol, aber trotzdem Eisberge.  Und ich beobachte den reissenden Gletscherfluss, der den Ablauf für den See bildet. Und ich schaue den Berg an. Und auch die benachbarten Berge.

 

 

 

 

 

 

Und die Gletscher. Und die ganzen Moränen, die die abgegangenen Lawinen hinterlassen haben. Und die Pflanzen, die sich ihr Überleben hier hart erkämpfen müssen. Und den blitzeblauen Himmel mit den weissen Wolken.

Ich kann’s nicht mit Worten beschreiben, aber ich bin so übervoll von dieser Schönheit und so dankbar, dass ich einfach hier sitzen und das hier erleben darf. Wenn ich etwas gebraucht hätte, um an Gott zu glauben, das hier wär’s gewesen. Bis ins Innerste berührt.

Auf der Rückfahrt nach Twizel holt mich die blaue Stunde ein und der See präsentiert sich mir in seiner ganzen Pracht.

Der Blick in den Rückspiegel zeigt mir den Berg mit den letzten zarten Sonnenstrahlen auf dem Gipfel. So bekomme ich die nötige Ruhe zurück, nachdem mich der Tag heute dermassen umgehauen hat.

Auch am nächsten Morgen bin ich noch immer voll mit den Erlebnissen von gestern. Trotzdem fahre ich langsam und gemütlich los. Ich bekomme noch ein paar weitere atemberaubende Ansichten des Lake Pukaki, an dessen Schmalseite ich entlang fahre und des Mount Cook und der umliegenden Berge bevor ich mich hier endgültig verabschiede.

Eine ganze Zeit geht es nun durch grosse Wälder und riesige Grasebenen. Die südlichen Alpen begrenzen noch eine Zeitlang meinen Blick am Horizont aber irgendwann sind sie dann doch verschwunden. Vor mit liegt der nächste See, die nächste Ortschaft: Lake Tekapo. Ein kleines Örtchen, an den See geschmiegt, erinnert es mich ein bisschen an Wanaka. Hier gibt es ausser dem See nur eine einzige Sehenswürdigkeit, und das ist eine kleine Kapelle. Sie liegt direkt am Wasser und vom Inneren hat man einen fantastischen Blick über den See. Hat man mir erzählt. Leider kann ich nicht nachschauen, denn die Kapelle ist abgesperrt und niemand darf hinein. Hmmm……..

Also schaue mir dias Ganze halt von aussen an: nett, klein, aus Quadersteinen erbaut. Ausser der hübschen Lage am See eigentlich nichts Besonderes. Aber in diesem jungen Land ist eben alles, was älter als fünfzig Jahre ist schon antik und eine Besonderheit. 😉

Eine Dame steht am Eingang und hält Wache, dass niemand hineingeht. Sie erklärt mir, dass gleich eine Hochzeit käme zum Fotos machen, danach sei die Kapelle wieder geöffnet. Na gut, dann mache ich eben einen kleinen Spaziergang am See entlang und als ich wieder komme verlassen die Brautleute gerade die Kapelle. Es sind Chinesen! Sie kommen strahlend aus der Kapelle, klettern in ihre Strechlimo und fahren schnatternd von dannen.

Die Kapelle hält auch innen, was sie aussen verspricht: einfache Holzbänke, keine Grossartigkeiten aber einen wirklich schönen Blick  vom Altar aus über den See mit dem Kreuz in der Mitte.

Leichten Herzens kann ich das Dörfchen verlassen und weiterfahren. Aber nach nur fünf Minuten Fahrt geht es links ab und direkt am Seeufer entlang bis zu einem richtig schönen Picknickplatz und so beschliesse ich, dass es eigentlich eh Zeit zum Mittagessen ist. Wieder mal finde ich es herrlich, so völlig frei über meine Zeit und Aktivitäten entscheiden zu können. Umwege wann immer es mir passt, Essen wenn ich Hunger hab, weiterfahren oder dableiben, ganz nach gusto…. Sogar für ein kleines Mittagsschläfchen nehme ich mir noch die Zeit bevor ich dann endgültig weiterfahre.

Grasebenen und Weite umgeben mich auf’s Neue, die Strasse zieht sich schnurgerade bis an den Horizont. Ich komme in Versuchung, jedes entgegenkommende Auto zu grüssen, denn ich fühle mich ein bisschen wie „übrig geblieben“ hier draussen. Nur ab und zu kommt ein kleines Dörfchen, bestehend aus einer Handvoll Häusern und einem Pub. Irgendwo im Nigendwo halte ich mal für einen Kaffee an, dazu gibt es ein Schokolade – Minzetörtchen (konnte ich nicht widerstehen), sitze in der Sonne und bin einfach nur happy.

Dann wieder Gras, Sand, Weite, Leere. Und das ist mein Stichwort: Leere. Das ist es nämlich, worauf meine Tanknadel zusteuert! Fritz ist ja ein richtig tolles Auto, aber Durst hat der!!! Mann oh Mann, der zieht den Sprit weg wie nichts, jeden Tag braucht er eine Füllung. Und die letzte war in Twizel….. ich werde ein ganz klein bisschen nervös.

Aber dann, als ich schon auf Reserve laufe kommt ein Schild „Petrol 5km“ und ich bin gerettet! Und Fritz auch! 😉 Ich besorge gleich noch was für mich selber zum Abendessen, denn eine Unterkunft gibt es hier nicht, also muss ich noch weiter fahren und wer weiss schon, wann wieder einmal ein Dorf kommt.

Nachdem ich noch einen klitzekleinen Umweg gefahren bin, der mir diese Aussicht beschert hat finde ich mich ganz plötzlich in einer Wolkenbank wieder und zu Ende ist es mit dem schönen Sonnenschein. Von hier an geht es in Nebel, Grau und Regen weiter bis ich in einem kleinen Städtchen namens Geraldine eine Unterkunft für heute nacht finde. Ich bezahle ein Dorm-Bett und bekomme ein Einzelzimmer – eher die Ausnahme aber natürlich freue ich mich!

Am kommenden Morgen geht’s auf direktem Weg in rund zwei Stunden bis nach Christchurch.  Die Stadt ist noch immer gezeichnet von dem schweren Erbeben in 2011. Am deutlichsten wird dies an der abgesperrten Kathedrale sichtbar, die als Mahnmal in ihrem halb zerstörten Zustand belassen wird.  Inzwischen wuchert meterhohes Unkraut im Kirchgarten und einheimische Künstler haben begonnen, Skulpturen rund um die Sicherheits-absperrung zu gruppieren. Die gesamte Innenstadt ist noch immer eine einzige Baustelle, überall wird renoviert und erneuert, wieder aufgebaut und verschönert. Viele der Gebäude im Zentrum der Stadt sind bereits wieder aufgebaut und in alter Form genutzt, aber man muss nicht gross suchen, um abgestützte Wände und Dächer, abgesperrte Einfahrten und Portale, eingestürzte Wände und aus Sicherheitsgründen geschlossene Gebäude zu finden.

Doch die Christchurcher haben sich nicht unterkriegen lassen! Beispielweise haben die im Zentrum ansässigen Lokale und Läden nach dem Beben ihre Aktivitäten in eilig aufgestellten Schiffscontainern wieder aufgenommen und nun ist aus dieser anfänglichen Notlösung eine Art hipper Markt geworden, wie es ihn sonst wohl nirgends gibt. Es bleibt abzuwarten, ob diese Initiative vor der Modernisierung der gesamten Innenstadt halt machen wird.

Graffitis und riesengrosse Wandgemälde findet man überall in der Stadt. Als wollten die ansässigen Künstler ihrer Stadt helfen, ihr schönstes Gesicht zu zeigen.

Das kann natürlich manchmal auch Blüten treiben. Ein Stadtplaner und Architekt hat sich wohl ein klein bisschen vergaloppiert in seinem Eifer und auf dem Reissbrett eine Art „mediterranen“ Strassenzug entworfen.  Kleine Häuschen reihen sich wie die Soldaten aneinander, jedes sieht aus wie das andere und alle beherbergen sie Läden, Cafés und Restaurants. Eine dieser künstlichen Strassen, wie man auf der ganzen Welt in Shopping Malls findet. Auf mich wirkt diese sicher gut gemeinte Massnahme, als hätte man versucht, der Stadt eine bunte, fröhliche Maske aufzusetzen. Doch die Wunden müssen erst heilen und das wird sicher noch eine Weile dauern.

Besonders deutlich wird das am eigentlichen Mahnmal, unten am Fluss. Hier sind an einer langen Mauer die Namen der Opfer auf kleinen Täfelchen angebracht. Dabei liegen Blumen, kleine Geschenke, Briefe, Fotos zum Gedenken an die 185 gestorbenen Menschen. Es ist bedrückend, hier zu stehen – ich erinnere mich, dass ich bei der Arbeit war, als mir eine Kollegin von diesem Erbeben erzählte. Ich war betroffen, doch zu sehr mit meinen eigenen Problemen beschäftigt, als dass ich mich wirklich darauf eingelassen hätte. Es fehlte mir jede Vorstellung, wie sich ein Erbeben anfühlt oder was es anrichten kann. Auch jetzt masse ich mir nicht an, irgendetwas darüber zu wissen, was wohl in den Menschen vorgegangen sein muss. Aber zu sehen, dass selbst nach Jahren die Spuren noch so deutlich sichtbar sind, das macht mich doch sehr nachdenklich.

Was ist es wohl, das uns Menschen immer weiter machen lässt? Erdbeben, Feuersbrünste, Kriege, Fluten, persönliche Dramen oder was auch immer unser Leben erschüttert, die meisten von uns schaffen es irgendwie, wieder aufzustehen und finden die Kraft, wieder aufzubauen, weiter zu machen, weiter zu leben und irgendwann auch wieder zu lachen.

Alles in allem fange ich in Christchurch aber mehr Aufbruchsstimmung als Pessimismus ein, mehr Durchhalten statt Aufgeben und mehr Optimismus als Trauer. Das Beben hat tiefe Wunden geschlagen, doch die Stadt erholt sich und obwohl das Leid des Einzelnen bleibt und dadurch wohl nicht gelindert wird habe ich den Eindruck, die Menschen sind irgendwie stolz auf sich und ihre Stadt. Übrigens ist Christchurch auch bei Expats überaus beliebt!

Am nächsten Tag mache ich eine lange Fahrt in die Umgebung und besuche die Akaroa Halbinsel. Hahaha, nach nur zwei Tagen Stadt und Pflastertreten hab ich schon wieder genug – bin doch eine olle Landpomeranze! 😉

Das Wetter ist schön und ich habe einen richtig tollen Tag vor mir: gemütlich durch die Gegend cruisen, anhalten wo immer es mir passt und einfach nur den letzten Tag meines Roadtrips geniessen. Und wieder finde ich diese wunder-schönen Plätze, mit denen dieses Land so gesegnet ist. Schau doch mal, diese kleine Bucht mit den bunten Bootshäuschen!

Die hügelige Landschaft ist wieder total schön, richtig weich kommt es mir hier vor nach der eher wilden Schönheit der Alpen. Grün wohin das Auge schweift und tief unten schimmert ein grosser See (der eigentlich eine Lagune ist). Diese Kombi von grüner Wiese, Berg, See/ Meer und blau-weisser Himmel wirkt auf mich wie eine Droge – eine gute Laune Droge. 😉 Die Strasse windet sich in vielen Kurven und Windungen hinunter und dann komme ich in dieses kleine Städtchen. Hier waren in der „guten alten Zeit“ die Franzosen und das merkt man bis heute! Die Strassennamen sind französisch und es gibt eine echte Boulangerie, hübsche kleine Häuschen und viele bunte Blumen in den Gärten. Ein kleines bisschen von „La belle France“ ist noch da. Sehr lustig.

Den ganzen Tag fahre ich hügelauf und hügelab durch diese Landschaft und geniesse spektakuläre Aussichten auf einsame Buchten, das glitzernde Meer, zufriedene Kühe und am Abend bin ich rechtschaffen müde und kaputt. Morgen fahre ich zurück nach Cust und bringe Fritz nach Hause. Oh oh…..

Aber es ist zu früh für Wehmut! Erst einmal werden Fritz und ich stürmisch begrüsst: Holly und Jess wuseln um mich herum und Sally und John umarmen mich fest und freuen sich ehrlich, mich wieder zu sehen. Wie schön ist es doch, wieder zu kommen! Ich beziehe mein Zimmer und gleich ist es schon wieder, wie gar nicht weg gewesen. Wir verbringen zwei gemütliche Tage miteinander (Herrlich!!! Ein Badezimmer für mich ganz alleine, niemand schnarcht in meinem Zimmer, eine Waschmaschine, hach……das Luxusweibchen in mir hebt da glatt das Köpfchen und klatscht in die manikürten Händchen!), dann bringt Sally mich zum Flughafen nach Christchurch. Obwohl wir versuchen ganz tapfer zu sein, schimmern unsere Augen verräterisch und unsere Stimmen wackeln…..wir machen den Abschied kurz und heftig.

Der Flieger bringt mich nach Auckland, ich hole meinen Mietwagen ab und meine letzte Woche Neuseeland beginnt…..