Kuba – der Versuch einer Zusammenfassung

12. Februar 2016 8 Von Nicole

Uuuund – wie war’s in Kuba? Das ist die Frage der Woche, denn jeder will wissen, wie es mir in meinem Urlaub ergangen ist. Allein, die Antwort ist nicht so einfach zu formulieren.

IMG_5167Denn Kuba ist ein Land, das den Besucher mit vielen Gegensätzen und Ungereimtheiten konfrontiert. Kuba fordert heraus, die eigene Komfortzone zu verlassen und sich auf Ungewöhnliches einzulassen. Und nicht zuletzt ist Kuba ein Land in einem tiefgreifenden Wandel begriffen, ähnlich einer sich häutenden Schlange.

Alles geht damit los, dass es zwei verschiednen Währungen gibt, ganz grob gesagt, eine für Kubaner und eine für Touristen. Inzwischen haben allerdings auch Kubaner Zugang zur Touristenwährung und zumindest theoretisch können Touristen mit kubanischer Währung bezahlen. Das Interssante daran ist allerdings, dass dieser Umstand der zwei Währungen klar offenlegt, dass es in Kuba zwei verschiedene Wirtschaftssysteme gibt, die nebeneinander funktionieren. Eine Kuriosität, wie ich finde.

Auf der einen Seite also nach wie vor der altbekannte Sozialismus mit seiner Planwirtschaft, seinem Kontrollzwang und seiner Unfreiheit in puncto Reisen, Meinungsäusserung und Innovation, aber eben auch mit kostenfreier Gesundheitssorge und gratis Erziehung und Bildung bis zum Universitätsabschluss. Und auf der anderen Seite eine aufstrebende private Marktwirtschaft der „kleinen Leute“ mit Taxiunternehmen, Souvenirläden, Restaurants und Privatpensionen. Hier wird mittlerweile richtig Geld umgesetzt und die Menschen, die eine Möglichkeit finden, hieran zu partizipieren sind in der Lage sich ein angenehmes Auskommen aufzubauen.

Es ist spannend zu sehen, wie die Menschen beginnen das „neue System“ zu verstehen: einige sehen nur kurzfristig das schnelle Geld, sehen den Tourist als Geldsack, den man möglichst ausgiebig melken muss, solange er greifbar ist. Dies führt manchmal zu einer etwas aggressiven Verkaufsstrategie, die mir persönlich unangenehm aufstösst, die ich aber wiederum in anderen Teilen der Welt schon schlimmer erlebt habe. Denn wenn du in Kuba nein sagst, dann wird das akzeptiert und du wirst in Ruhe gelassen. Dann gibt es die sogenannten „jineteros“ so eine Art Schlepper, die dich „beraten“ und dich zu Restaurants bringen, dir Taxis organisieren oder auch mal eine Unterkunft. Sie bekommen Kommissionen von den vermittelten Geschäften, die allerdings dann dem Kunden auf den Preis draufgeschlagen werden. Wenn man das weiss muss es allerdings nicht unbedingt schlecht sein, die Dienste eines jineteros in Anspruch zu nehmen. Mit ein bisschen Verhandlungsgeschick und guten Nerven kann man hier durchaus einmal in den Genuss einer einzigartigen Erfahrung kommen und das ist wirklich positiv gemeint! Diese beiden Phänome trifft man allerdings hauptsächlich in den sehr gut frequentierten Orten an, und bekanntermassen haben Massen von kaufkräftigen Touristen überall auf der Welt einen eher negativen Einfluss auf das ursprüngliche Verhalten der Menschen im Gastland.

Aber es gibt auch schon sehr viele Kubaner, die begriffen haben, dass guter Service sich mittel- bis langfristig auszahlt und Empfehlungen und Stammkunden generiert und so zu höherem und gleichmässigerem Einkommen führt. Hier wurde auch verstanden, dass man nicht unendlich an der Preisschraube drehen kann, sondern für einen höheren Preis eben auch bessere Qualität und/ oder besseren Service bieten sollte. Ich habe einige kubanische Gastgeber, guides und Taxifahrer kennenlernen dürfen, die Gastfreundschaft vom Feinsten praktizieren und bei denen ich den Eindruck hatte, sie würden mich am liebsten adoptieren.

Insgesamt habe ich die Kubaner als liebenswertes Volk kennengelernt, sie haben viel Lebensfreude in sich, lachen viel und gerne, sind extrem gechillt und behandeln jederman freundlich. Wenn man allerdings ein bisschen genauer hinschaut, dann erkennt man oft doch  eine gehörige Portion Pragmatismus, der durchaus auch einmal in Resignation umschlagen kann. Das Erleben von Unfreiheit und Ohnmacht hinterlässt Spuren auch bei den so fröhlichen Kubanern. Sie fühlen sich benachteiligt und zurückgeblieben in vielerlei Hinsicht (z.B. Internet und IT, Konsum generell), was dazu führt, dass sie einen enormen Hunger nach Konsumgütern haben.

Die meisten Kubanern besitzen ein modernes Smartphone und vor allem die Jungen legen grossen Wert auf Markenklamotten und -schuhe, sodass es eigentlich keinen (offensichtlichen)  Unterschied gibt zwischen jungen Leuten auf den Ramblas von Madrid, Barcelona oder Palma und den jungen Leuten, die den Pases del Prado in La Habana entlangschlendern. IMG_5762  Wenn man nun die sehr oft völlig herunter-gekommenen, ja verfallenen Häuser dagegenstellt versteht man die Welt irgendwie nicht mehr.

Der Verfall der Stadt Havanna ist etwas, das mich total geschockt hat. Es war mir zwar klar, dass einiges verfallen und vieles kaputt sein würde, aber dieses Ausmass konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. IMG_5327Wunderschöne Stadtpaläste, die nur noch aus der Fassade und dem Erdgeschoss bestehen, da alle oberen Stockwerke eingestürtzt sind beherbergen mehre Familien und/oder kleinste Geschäfte im Hinterhof, wie Friseure, Bügelläden, Topfputzer oder Scherenschleifer. Manchmal wachsen meterhohe Bäume aus den Mauern oder es stehen nur noch die Fassaden, von Baustützen am Umfallen gehindert. Bei Regen sollte man in der Altstadt in der Mitte der schmalen Strassen gehen, da durch die Feuchtigkeit oft die maroden kleinen Balkone herabstürtzen. Aus vielen Hauseingängen schlägt einem der Geruch nach Moder und Schimmel entgegen. Manche betiteln dies als „maroden Charme“ der Stadt – ich persönlich finde es nicht charmant, sondern schockierend und sehr schade. IMG_5699Allerdings muss ich nun auf der anderen Seite auch sagen, dass viel gebaut und renoviert wird. Die Altstadt von Havanna ist eine einzige grosse Baustelle: am Kapitol wird bereits seit Jahren renoviert und die Fertigstellung soll noch in diesem Jahr erfolgen, die benachbarte DSC_8715Oper ist bereits fertiggestellt und eine wahre Augenweide, die grossen und berühmten Hotels sind ebenfalls schön renoviert und auch die Fassaden vieler Stadtpalais sind bereits stilecht aufgemöbelt worden, beispielsweise an der Plaza Vieja. Es wird sehr grossen Wert auf eine IMG_4902originalgetreue Wiederherstellung der Gebäude gelegt, was wirklich toll ist, denn La Habana hat so unglaublich viele wunderschöne Häuser aus der Kolonialzeit – wenn die Renovierungen der Altstadt einmal abgeschlossen sein werden, also….. irgendwann einmal, dann wird Havanna eine der schönsten Städte der Welt sein!

Aber die Wohnhäuser fallen halt trotzdem auseinander und die sind nun mal überall. Es ist nicht so, wie in vielen anderen Städten, dass die Altstadt für die Touristen IMG_4908komplett aufgeputzt ist und im nächsten Viertel sieht man dann den Alltag, sondern frisch renoviert steht genau neben dem Verfallenen – beides ist omnipräsent und spiegelt genau auch den Zustand des Landes wider: zerfallende Ordnung und veraltete Werte auf der einen Seite und gegenüber dann eine Art Aufbruchsstimmung und die Suche nach dem Weg zu einer neuen Weltordnung, bzw. einer Anpassung an die (vermeintlich) bessere Welt „da draussen“.

Auch darf man nicht vergessen, dass Kuba seit 59 Jahren unter einem extremen Handelsembargo leidet. Firmen und Staaten (wohlgemerkt nicht nur amerikanische!) wurden und werden mit millionenschweren Strafen belegt, wenn sie gegen das Embargo verstossen. Erst seit Kurzem wird das Embargo etwas gelockert, sodass der Handel mit bestimmten Waren nun in kleinem Rahmen möglich ist. Unter Umständen kann Kuba sogar auch einmal etwas auf Kredit kaufen, was bisher unmöglich war, dem Land aber zupass kommen dürfte, da es eben nicht über grosse Mittel verfügt (Wirtschaft am Boden, praktisch keine Bodenschätze, keine Ressourcen, praktisch kein Export und auch kaum Steuereinnahmen). Wie das Thema Staatsverschuldung auf kubanisch gelöst werden wird bleibt abzuwarten.

Natürlich betrifft das Embargo vor allem die kleinen Leute, die sich damit behelfen, bestimmte heiss ersehnte und/oder benötigte Waren selbst zu importieren. So sieht man beispielsweise ganze Flugzeugladungen von Kubanern, die aus Florida zurück kommen und meist einen oder mehrere riesengrosse Flachbildfernseher dabei haben. Eine Reiseerlaubnis vorausgesetzt dürfen Kubaner (theoretisch) einmal pro Jahr ins Ausland reisen, wobei Miami das bevorzugte Ziel ist (Distanz 160km Luftlinie!) Dort wird dann eingekauft, was das Zeug hält und im Flugzeug gegen teures Geld nach Hause transportiert. Kubaner mit doppelter Staatsbürgerschaft (meist spanisch) dürfen frei reisen und machen davon und dem damit verbundenen Einkaufsmöglichkeiten auch regen Gebrauch. Ausserdem gibt es einen stetigen Geld- und Warenfluss von im Ausland lebenden Kubanern zu ihren Familien im Heimatland.

Der ständig wachsene Zustrom an Touristen überfordert die kubanische Infrastruktur völlig. Obwohl kleine private Pensionen wie Pilze aus dem Boden schiessen kommt es zu Spitzenzeiten zu echten Engpässen bei der Unterbringung und auch das Transportwesen, sei es nun staatlich oder privat steht kurz vor dem Kollaps. Am besten funktionieren wohl die typischen Pauschalhotels, die hauptsächlich in Varadero angesiedelt sind. Dorthin wandert auch der Löwenanteil des Geldes, das von staatlicher Seite in den Tourismus investiert wird. Allerdings bekommt man bei dieser Art Urlaub vom Land Kuba sicher viel weniger mit, als wenn man eine individuell organisiserte Rundreise macht. Ein Teilnehmer der mindful globetrotter Gruppe, der vor zwei Jahren einen Hotelurlaub in Kuba gemacht hatte brachte es recht treffend auf den Punkt:

Wenn du einen Paschalurlaub machst, dann ist das wie ins Aquarium gehen – du schaust halt von aussen drauf und siehst einen bestimmten Ausschnitt. Bei so einer Rundreise bist du zumindest schon mal mit im Wasser – zwar noch nicht Fisch, aber trotzdem mittendrin.                                 D.N.

Ich persönlich ziehe das mittendrin einfach vor; ich mag es, mein Urlaubsland mit allen Sinnen zu erfassen und ich bin mir dessen bewusst, dass auch einmal etwas schief gehen kann. Auf Kuba zum Beispiel Gepäck, das eine Woche lang nicht ankommt (wobei das in der Verantwortung der spanischen Fluggesellschaft lag!) und einen vor die fast unlösbare Aufgabe stellt, in Havanne irgendwelche halbwegs tragbaren Klamotten einzukaufen. Taxifahrer, die nicht kommen oder einfach plötzlich verschwinden, Busse, die mit stundenlanger Verspätung fahren. Muffige und halb verschimmelte Unterkünfte. Läden, in denen man zwar literweise Rum, aber kein Wasser kaufen kann. Restaurants, die zwar eine Speisekarte anbieten, dann aber viele Dinge doch nicht haben. Viele leere Geldautomaten und meterlange Schlangen vor den Wechselstuben. Kein Zugang zum Internet (Ich war wirklich fünf Wochen lang komplett offline!). Und – für mich als Vegetarierin echt schwierig – es gibt kaum frisches Gemüse und Salat, dafür aber durchaus lange Schlangen vor den Restaurants, da diese meist nicht mit Reservierungen arbeiten.

Ich habe in meinen fünf Wochen Kuba einige Urlauber getroffen, die einfach ingentwann entnervt aufgegeben haben und nach Varadero in irgendein All-Inklusive-Hotel geflüchtet sind und nun „Kuba? Nie wieder!“ sagen. Aber ich selbst muss sagen, nach anfänglichen Anpassungsschwierigkeiten hab ich doch Land und Leute lieben gelernt und ich bin ziemlich neugierig auf die andere Hälfte Kubas (Mitte nach Osten), daher wird es höchstwahrscheinlich eine Fortsetzung dieser Reise geben.

IMG_5792Denn eines ist sicher, Kuba hat wunderschöne Landschaften zu bieten, lange und im Winter kaum besuchte Strände, warmes und wirklich kristallklares Wasser, ganz besondere Menschen, mitreissende Musik IMG_5685und atemberaubende Tänzer(innen), viel Lachen, viel Rum, viel Kunst und Kultur, Sportmöglichkeiten und wahrscheinlich noch ganz Vieles mehr…… es ist ein Land, das für uns Europäer sehr gut ist: wir können einmal echt aus unserem schnellen, erfolgsorientierten Hasten ausbrechen und uns darauf einlassen, wie man mit Wenig viel Freude und Spass und Lust erleben kann.

IMG_5629Ich werde auf jeden Fall versuchen, ein bisschen kubanisches Chillen in meinen Alltag hinüber zu retten. Ein bisschen von der staunenden Wertschätzung beizubehalten, die ich erlebte als ich nach meiner Rückkehr über den Gemüsemarkt geschlendert bin und die schier überwältigende Vielfalt an frischem Obst und Gemüse bewundern konnte. Diesen Genuss zu erleben wenn richtig heisses Wasser mit einem ordentlichen Druck aus der Leitung kommt. Für uns selbstverständliche Dinge, die wir kaum mehr wahrnehmen, und die doch für die riesige Mehrheit der Menschen einen nie gekannten Luxus darstellt.

IMG_5690Kuba ist ein herausforderndes Land mit Ecken und Kanten und hat mit einer Menge Schwierigkeiten zu kämpfen. Es ist laut und schrill und manchmal dreckig. Dennoch ist es ein sehr interessantes Reiseland, das demjenigen, der mit offenen Augen schaut unendlich viel zu bieten hat.IMG_5605 Die Menschen empfangen den freundlichen Touristen mit offenen Armen und lassen den interessierten Beobachter ungeniert in ihr Leben schauen. Wer aufhört, Sehenswürdigkeiten zu konsumieren und sich statt dessen auf das Leben einlässt, der bekommt ein Kuba zu sehen, das einzigartig ist, schillernd und verstaubt zugleich, reich und arm, traumhaft schön und abgundtief hässlich. Auf jeden Fall authentisch, echt, und lebendig.

Kuba ist ein bisschen wie eine sich häutende Schlange habe ich ganz zu Anfang geschrieben. Nun, ich habe auch eine Haut in Kuba gelassen, denn ich hab mich eingelassen auf dieses Land und es hat mich verändert.

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