Mit Fritz über die Südinsel – Die Westküste

2. Juli 2017 8 Von Nicole

Ich kann nicht widerstehen – ich möchte die Pancake Rocks auch noch bei hellem Tageslicht sehen! Also fahre ich wieder zurück, belohne mich mit einem extra leckeren Frühstück im Café und spaziere noch einmal zu diesen besonderen Felsformationen.

Gestern waren realtiv viele Menschen hier, aber heute morgen sind nur wenige Frühaufsteher unterwegs. Und tatsächlich sehen die Felsen heute ganz anders aus, denn gestern abend waren sie orange – braun und heute sind sie grau. 😉

Irgendwann reisse ich mich aber dann doch los und mache mich auf den Weg nach Süden, den Highway 6 wieder hinunter – ist immer noch sagenhaft schön und sieht im Morgenlicht wieder anders aus – über Greymouth nach Hokitika. Mir wurde ein Besuch dieses kleinen Städtchens, das die inoffizielle Hauptstadt der Jadeschnitzerei ist, angeraten und ausserdem sollte ich unbedingt den Hokitika Gorge besuchen. Ich beschliesse, zuerst die Schlucht zu besuchen und mir den Besuch der Stadt für später aufzuheben. Zu meinem Schreck stellt sich heraus, dass dieser Gorge kanpp vierzig Kilometer im Inland ist. Kleines Zögern meinerseits…..ob sich das wohl lohnt? Ganz schön fetter Umweg für eine Schlucht…… letztendlich fahre ich aber doch.

Eine schmale Strasse führt kreuz und quer durch Weideland, immer wieder links herum und rechts herum und schon nach kurzer Zeit bin ich verwirrt 😉 Das Fahren durch saftiges Grün, immer auf die entfernten Berggifel zu macht mir aber grossen Spass und so geniesse ich die Fahrt und dass ich mir einfach so viel Zeit nehmen kann, wie ich möchte.

Vom Parkplatz zum eigentlichen Gorge ist es nur ein kleiner Spaziergang. Ich habe keine Ahnung, was mich hier erwartet und bin darum erstmal völlig und absolut geflasht. Schau dir das an! (Kein Photoshop!! Das Wasser hat WIRKLICH diese Farbe!). Ich stehe eine Ewigkeit auf dieser Brücke und trinke die Aussicht in mich hinein. Erst als ich sicher sein kann, dass ich dieses Bild nicht so schnell vergessen werde kann ich hinuntergehen und mir alles aus der Nähe anschauen. Und es singt wieder in mir. Die Natur ist hier in Neuseeland so grossartig, dass ich aus dem Staunen und Freuen gar nicht mehr herauskomme. Wahrscheinlich kann man mir diese Freude am Gesicht ablesen, denn als ich mich schliesslich lösen kann und zum Auto zurück gehe, findet folgende lustige Bebegnung statt:

An der Hängebrücke über die Schlucht werden von zwei Männern Reparaturen durchgeführt. Einer sitzt auf der Brücke und der andere hängt in einem Sicherheitsgeschirr davor und macht irgendwas (was ist das bitte für ein mega Arbeitsplatz?!!) Sie schauen auf, als ich langsam über die Brücke auf sie zukomme und winken mir aufmunternd zu. Als ich sie erreiche strahlen sie mich an und fragen „do you like it?“ und sind dabei so offensichtlich sicher, welche Antwort sie bekommen werden, dass ich nicht widerstehen kann. „ehm, yeah, guess it’s all right“ antworte ich schulterzuckend und mit ernstem Gesichtsausdruck. Dem einen fällt vor Schreck fast das Werkzeug aus der Hand und beide starren mich völlig fassungslos an. Ich fange schallend an zu lachen und so kommen sie darauf, dass sie mir voll auf den Leim gegangen sind. Gutmütig stimmen sie in mein Gelächter ein und wir unterhalten uns sicher zehn Minuten über die Schönheit der Natur im Allgemeinen und „ihrer“ Schlucht im Besonderen.

Die beiden Männer haben mir sehr ans Herz gelegt, auch noch den benachbarten See zu besuchen. Auch in Neuseeland bedeutet dieses benachbart keinesfalls, dass der See wirklich in der Nähe ist! Dennoch nehme ich auch diesen Umweg noch mit und bereue es keinen Moment, denn was ich entdecke ist einfach nur wunderschön! Der Frieden und die Ruhe nehmen mich auf und ich fühle mich völlig eins und im Einklag mit mir selbst und meiner Umgebung. Manchmal findet man „durch Zufall“ diese Orte und erlebt etwas so Ausser- gewöhnliches, das es mit Worten nicht zu beschreiben ist. So geht es mir jetzt und hier.

Es ist bereits Nachmittag als ich mich hier losreissen kann und mich wieder auf die Strecke begebe. Den Besuch in Hokitika lasse ich ausfallen; ich hab jetzt keine Lust auf Shops und Touristenrummel. Weiter nach Süden auf dem Highway 6, immer noch grandiose Landschaft und inzwischen nun auch die ersten wirklich schneebedeckten Gipfel. Das ganz Besondere daran ist, dass sich diese Gipfel in unmittelbarer Nähe des Ozeans befinden. Leider sind mittlerweile dicke Wolken aufgezogen, sodass ich davon kein Foto habe. Aber stell die vor du fährst auf einer Strasse und hast rechts neben dir den Ozean. Wellen rollen heran und brechen sich gischtspritzend und grollend am Ufer. Wenn du nun geradeaus schaust, dann siehst du in der Ferne einen hohen Gebirgszug, der sich von links nach rechts erstreckt; spitze, hohe Gipfel, Felsen, Schnee und Wolken bis direkt ans Meer. Ich hab das noch nie gesehen! Schnee und Gebirge und Meer ganz dicht beeinander.

Langsam beginne ich damit, mich nach einer Unterkunft für heute nacht umzuschauen. Dabei komme ich hieran vorbei! Spassiges Völkchen, diese Kiwis, oder?! 😀  Ein weiteres spassiges Exemplar begegnet mir in Form eines Wirtes. Ich halte in einer kleinen Ortschaft, ein paar Kilometer vor den berühmten Gletschern weil ich denke, dass ich hier vielleicht leichter und günstiger ein Zimmer bekomme als direkt dort, wo alle sind. Ich frage also im Pub und ja, sie hätten ein Zimmer frei. Ob ich denn mit eigener Dusche oder mit Gangdusche wolle, werde ich gefragt. Ich möchte gerne beide Zimmer sehen. Das erste ist gleich nebenan und ist ungefähr 2,5x2m gross, darin steht ein Metallbett mit fadenscheinigen, schmuddeligen Bezügen. Ende. Siebzig Dollar (kanpp 50 Euro) will der Wirt dafür haben. Ich schaue ihn erst ungläubig an und fange dann  an zu lachen, im Glauben er mache einen Scherz. Er wartet bis ich mich beruhigt habe und setzt noch obendrauf: Frühstück und Wifi inklusive! Ich verlasse fluchtartig das ungastliche Etablissement und fahre bis zum Franz-Josef-Glacier durch, wo ich ein Bett in einem ganz normalen Hostel mit ganz normalen Leuten für fünfundzwanzig Dollar bekomme.

Am Morgen fahre ich gleich nach dem Frühstück zum Gletscher. Leider ist der Himmel dick bewölkt, sodass ich wohl nicht allzuviel sehen werde. Aber einen Versuch will ich auf jeden Fall starten.
Gerade als ich aus dem Auto klettere fängt es an zu nieseln. Spassverderber! Also Regenjacke an, Kapuze überstülpen und auf geht’s den Berg hoch!

Als erstes komme ich an einem hübschen kleinen Lookout vorbei und kann tatsächlich kurz einen beeindruckenden Blick auf den Gletscher erhaschen, bevor sich das Wolkenloch wieder schliesst. Obwohl ich relativ weit weg bin finde ich das jetzt doch extrem schön und so wandere ich mit neuem Mut – da positives Vorzeichen, du verstehst? – beran. Ich werde mit einem wunderschönen bushwalk belohnt! Schau dir diese Reflektion in einem stillen kleinen Teich an: Der Weg ist schmal und ziemlich steil, immer wieder mit kleinen Kletter- partien bestückt und fordert meine Aufmerksamkeit. Ich liebe es, wenn nicht alles eingeebnet und super einfach ist. 😉 Das Tosen des Gletscherflusses tief unten und die teilweise beeindruckenden Aussichten sind klasse, aber mein persönliches Highlight heute ist diese Hängebrücke! Bei verschiedenen Wanderung bin ich inzwischen schon über so manche „swingbridge“ gelaufen, aber diese hier ist der Hammer! Nur eine einzige Planke breit und keine Ahnung wie lang – 150m vielleicht? und mal noch richtig hoch! Natürlich verdienst sie ihren Namen und schwingt ganz gehörig. Aber schliesslich will ich kein Hasenfuss sein und so wage ich mich über die Brücke. Glücklich drüben angelangt und mächtig stolz auf mich selber werde ich doch gleich schon wieder herausgefordert! Ein ziemlich grosser bunter Vogel setzt sich auf’s Brückengeländer und schaut so richtig auffordernd zu mir her. Na, traust du dich? scheint er mir zuzurufen. Dieses Foto beweist, ich hab mich getraut. 😉
Nach ungefähr zweieinhalb Stunden komme ich an einen schönen Aussichtspunkt und kann mir nun wieder einen Überblick über die Wetterlage verschaffen. Es hatte inzwischen zwar aufgehört zu nieseln, aber die Wolken türmen sich dick und träge und erlauben keinerlei Sicht mehr. Kein Fetzelchen Blau lässt auf ein Aufreissen hoffen und so beschliesse ich schweren Herzens, dass ein weiterer Aufstieg keinen grossen Sinn ergibt und kehre zu meinem Wagen zurück.

Den benachbarten Fox Glacier schenke ich mit gleich komplett, denn hier ist die Suppe noch dicker und es regnet Bindfäden.

So fahre ich also weiter die Westküste entlang, halte so oft ich will, also Aussichtspunkten, Stränden, Brücken, Flussläufen……immer wenn es irgendwie schön aussieht. Vielleicht kannst du es dir denken – ich komme nicht wirklich flott voran. Aber es gibt doch auch soo viel zu sehen, ich bin ganz aufgeregt! Und ich habe bereits enge Bekanntschaft mit den gefrässigsten Bewohnern Neuseelands geschlossen. Die hundsgemeine Sandfliege ist hier zuhause und macht Urlaubern und Einheimischen das Leben schwer. Einer alten Maorilegende nach wurde die Sandfliege von einer wunderschönen Maoriprinzessin damit beauftragt, die schönsten Strände und Landschaften Neuseelands zu beschützen und gegen Eindringlinge zu verteidigen. Und das tut sie bis auf den heutigen Tag! Glaub mir, du möchtest nicht lange an einem Strand mit Sandfliegen bleiben! Glücklicherweise haben mich Sally und John gewarnt und so gehe ich nur komplett angezogen (Schuhe, Socken, lange Hose, Pullover, Jacke mit Kapuze, Sonnenbrille) aus dem Auto. Manchmal kriegen mich die Biester zwar trotzdem noch, aber eben nur mal ein vereinzelter Biss.

Mittlerweile ist es schon später Nachmittag geworden, die Sonne steht bereits tief und ich sollte mich langsam mal um ein Quartier kümmern. Aber diese eine Beach hier, die schau ich mir noch an…..und schau mal, was für eine Schönheit sie ist! Da hier die Flut immer so hoch ist findet man an vielen Stränden kleine oder grössere natürliche „pools“, die das Meer bei Ebbe zurück lässt. So auch hier. Spiegelglatt und glänzend steht das Wasser und der mittlerweile blitzblaue Himmel spiegelt sich ganz klar darin. Manukas (tea trees) haben mit ihrem Extrakt das Wasser dunkel gefärbt und so ergibt sich das schönste Farbenspiel. Herrlich!!
Weiter geht’s am Strand entlang, die Wellen schlagen spielerisch an den Strand, der helle Sand stiebt manchmal ein bisschen auf im leichten Wind und ich bin schon wieder einmal restlos glücklich.
Und dann kommt es sogar noch besser!! Ganz plötzlich sehe ich sie. Delphine!!! Ganz nah am Ufer – vielleicht sechs dieser Meeressäuger spielen hier direkt vor meiner Nase. Ich stehe und staune und schaue ihnen zu bis sie ausser Sichtweite sind. Und es stört mich kein bisschen, dass die Sandfliegen ein fettes Abendessen an mir haben.

Im nächsten Dörfchen angekommen – Hass Township – finde ich ein Bett in einem netten Hostel und noch immer aufgeregt muss ich sofort meinen Zimmernachbarinnen von den Delphinen berichten. Hahaha, sie waren eventuell ein klein bisschen überfordert mit meiner überschäumenden Euphorie, aber ich musste das einfach jemandem erzählen. 😉

Nach dem Abendessen schnappe ich mir kurzentschlossen die Autoschlüssel noch einmal und fahre die 10 Minuten von meiner Unterkunft bis an den Strand zum Sonnenuntergang. Ich kann mich heute einfach nicht dazu bringen, im Hostel herum zu hocken, sondern ich muss nochmal raus und den Tag verabschieden. Call me crazy, but…..

Und was soll ich dir sagen? Als hätte er mich gerufen, der Sonnenuntergang – zum Weinen schön! Ich stehe und staune und sauge diese Farben in mich auf und werde ganz still und klein und gross und……kann man eigentlich soviel Schönheit, Grandiosität und Überwältigendes an einem einzelnen Tag überhaupt aushalten?
Reich beschenkt falle ich heute in mein Bett und quasi bevor mein Kopf das Kissen berührt schlafe ich bereits.

Lust auf mehr Fotos? Finde hier eine kleine Slideshow vom bushwalk am Franz-Josef-Glacier und meiner Begegnung mit der Hängebrücke (Klick hier)