Wir bekommen unser Frühstück direkt im Garten unseres Hostels serviert und können so unseren Tag ganz entspannt angehen. Mal schauen, was der heute so bringt….
Unser Fahrer, Mr. Pon, kommt uns pünktlich um neun abholen und wir fahren gutgelaunt mit ihm zu unserem ersten Stop, noch hier in Chiang Rai: Die „Black Houses“. Das ist eine Art Kunstprojekt und Museum des in Chiang Rai gebürigen Künstlers Thawan Duchanee. In einem grossen Park stehen verteilt verschieden grosse Hütten in diversen Stilrichtungen (thai, chinesisch, burmesisch), in denen teils sehr skurrile Gegenstände ausgestellt sind. Von altertümlichen Ackergeräten über ein komplettes Elefantenskelett, aus Wasserbüffelhörnern hergestellte Möbel, ganze, fast schon moderne Wohnungseinrichtungen stehen neben archaischen Gebetshallen und einem riesigen Metallfisch; es gibt grosse, gehörnte Throne, auf denen ein Wikingerhäuptling sich gut ausnehmen würde neben einer meterlangen Schlangenhaut, Buddhastatuen, Krokolishäute und diverse kleine Kunstgegenstände. Besonders eigentümlich fand ich die überproportionierte Präsenz von modernen Toiletten (innerhalb der Ausstellung), mit grossen Muscheln dekoriert und mit altertümlichem, sexuellen Spielzeug ausgestattet.
Viele der Häuschen sind geschlossen und das Innere kann, wenn überhaupt nur durch Glasscheiben bestaunt werden. Insgesamt sind wir ein wenig verwirrt und ratlos – die archaische, morbide, das Dunkle betonende Atmosphäre kommt schon an, aber was der Künstler damit ausdrücken wollte, das erschliesst sich uns leider nicht. Und da es auch nirgends eine Erklärung dazu gibt, lassen wir einfach alles so auf uns wirken.
Weiter geht es, nun raus aus der Stadt. Wir sind auf dem Weg zu einem Pagodentempel, Doi Salong, der oben auf einem Berg steht und Mr. Pon verspricht uns eine tolle Aussicht. Unterwegs machen wir einen kurzen Zwischenstopp in einem Akka-Dorf. Hier sei es nicht touristisch komplementiert uns Mr. Pon aus dem Wagen, sprach’s und überlässt uns unserem Schicksal. Er sei Fahrer und kein guide belehrt er uns auf unsere Frage, ob er denn nicht mitkäme. Hmmm….. Nun gut, wir also los spaziert ins Dorf, wo es sofort sehr geschäftig wird. Souvenirbuden werden geöffnet und wir werden sehr laut und sehr eindringlich zum Kaufen animiert. Nach nur fünf Minuten haben wir genug – weder wollen wir einen menschlichen Zoo besuchen, wo die Einheimischen in traditioneller Tracht für kostenpflichtige Fotos posieren, noch wollen wir uns so agressivem Marketing aussetzen. Wir ergreifen die Flucht und machen Mr. Pon klar, dass wir auf solche „Attraktionen“ gerne verzichten. Er verzieht kurz den Mund und schweigt dann stoisch.
Nächster Stopp ist ein chinesischer Markt in dem kleinen Gebirgsdorf Mae Salong. Hier ist der chinesische Einfluss noch stärker zu sehen als in Chiang Rai: die Menschen haben eine andere Physiognomie, das Ambiente ist total verschieden, die Waren, die auf dem Markt angeboten werden sind anders und überall gibt es diese typischen chinesischen Papierlampions. Mr. Pon führt uns recht zielstrebig in einen bestimmten Laden, wo wir „die besten Tees für den besten Preis“ kaufen können. Wir durchschauen sein Spiel, machen aber mit, da es wohl doch in allen Buden und Läden das gleiche geben wird – also soll er doch seine Provision bekommen.
Wir nehmen also Platz und geniessen die Teezeremonie, lassen uns erklären, um welche Tees es sich handelt und probieren. Mehr als das übliche Verkaufsgespräch ist natürlich nicht drin, da die Sprachbarriere hier hoch ist. Gabriele und Constanze kaufen jeder brav ein Päckchen Tee und ich kaufe doch tatsächlich eines dieser wundervollen Mini-Teesercive mit den fingerhutgrossen Tässchen! Es ist total bescheuert, denn es ist offensichtlich Massenware und keineswegs eine Antiquität, aber es ist ein schönes Souvenir, das ich zuhause auch benutzen werde. Hihihi…..so sind also alle zufrieden: der Ladenbesitzer hat wieder einmal ein paar „Farang“ (= westliche Ausländer) um ihr Geld erleichtert, Mr. Pon kassiert seine Provision und wir haben erfolgreich geshoppt. 😉
Gemütlich bummeln wir über den Markt: es gibt viele Dinge, die wir sonst noch kaum irgendwo gesehen haben, wie Kalabassen in allen Grössen, viel getrocknetes Obst, jede Menge Bambuswürmer (säckeweise!!!) und Tee natürlich, Mandeln und Pistazien, sehr bunte Bonbons, undefinierbare Riesenschoten, x verschiedene Sorten Reis in allen Farben und natürlich jede Mange knallbuntes Hilltribe-Zeug. Natürlich gibt’s auch frisches Gemüse und einiges davon hab ich echt noch nie gesehen!
Gutmütig lassen wir uns von Mr. Pon in ein Restaurant zum Mittagessen führen. Es ist total ungemütlich, hässlich und leer. Die sanitäre Anlage ist sogar für asiatische Verhältnisse unterirdisch und so sind wir vom servierten Essen sogar positiv überrascht. Wenn man auch bei gebratenem Reis mit Gemüse nicht viel falsch machen kann. 😉
Weiter geht’s in Richtung Tempel. Mr. Pon macht uns Druck und meint, mehr als eine halbe Stunde sei nicht drin. Ach?! Jetzt haben wir es plötzlich eilig?? Hmmm……Wir steigen trotzdem gut gelaunt die 719 Stufen hinauf und freuen uns über die wirklich tolle Aussicht. Wenn auch die weiter entfernten Berge im Dunst verschwommen bleiben hat es sich trotzdem gelohnt hier herauf zu steigen. Der Tempel selber ist von aussen recht schön, aber nicht besonders spektakulär. Im Inneren ist er leer. Total leer. Es gibt einen Mamorboden und einen relativ kleinen Goldenen Buddha und das wars. Keine Schnitzereien, keine Wand- oder Deckenmalereien, keine Dekorationen, keine Vergoldungen, nichts. Das ist doch sehr ungewöhnlich, da hier die Tempel ja normalerweise sehr dekoriert sind. Der Garten aussenherum ist hübsch und die Türen werden von grossen Nga-Schlangen bewacht, die in der Sonne schön glitzern.
Wir steigen die Stufen wieder hinunter und krabbeln ins Auto. Eigentlich haben wir jetzt genug gesehen für einen Tag. Aber Mr. Pon macht uns schon die nächste Attraktion schmackhaft: der Besuch auf einer Teeplantage! Oh ja, das wird sicher toll – wir sind ja alle drei Teetrinkerinnen und freuen uns auf diesen Stop. Die Fahrt dauert wieder relativ lange (boah, wenn ich gewusst hätte, wie weit das alles auseinander liegt, dann hätt ich diese Fahrt nie mitgemacht!!) und wir bewundern die ausgedehnten Teeplantagen und freuen uns darauf, mehr über Anbau und Veredelung zu erfahren.
Doch nix da! Es wird nichts erklärt und es kann auch nichts besichtigt werden. Es gibt nur einen Shop mit hübsch verpacktem, überteuertem Tee und ein Café, wo man Tee trinken kann. Das ist alles! Wir kommen uns vor wie auf einer Verkaufsfahrt und sind ein bisschen angepisst. Ausserdem ist es mittlerweile schon drei Uhr und wir wollen doch unbedingt den berühmten „Weissen Tempel“ sehen – das war unser wichtigster Punkt auf der Tour. Wir machen Mr. Pon klar, dass wir jetzt umgehend zum Weissen Tempel fahren möchten und keinerlei weitere Einkaufsstops mehr einlegen möchten. Er sagt ok ok, aber das „Goldene Dreieck“ läge ja sowieso auf dem Weg und das sollten wir uns nicht entgehen lassen. Wir hätten trotzdem noch genug Zeit für den Weissen Tempel. Hmm, nach kurzer Beratung wollen die Mädels dann doch das Goldene Dreieck noch sehen und das Opium Museum besuchen. Na guut…..
Das Goldene Dreieck (hier stossen die Grenzen von Laos, Thailand und Myanmar zusammen) war früher das Zentrum des Opiumhandels und daher des Reichtums. Was es da wohl zu bestaunen gibt? Als wir nach einer Ewigkeit endlich ankommen, meint Mr. Pon, wir hätten 15 Minuten Zeit (WHAT???). Daher streichen wir das Opium-Museum direkt von unserem Plan und gehen zum Grenzfluss, um nach Laos hinüber zu schauen. Sonst gibt es noch einen sehr grossen Goldenen Buddha zu bewundern, der auf einem stilisierten Schiff sitzt. Speziell. Ziemlich viele Touristen hier, ist so eine Art hotspot, was für mich völlig unverständlich ist: es gibt hier praktisch nichts zu sehen oder zu entdecken. Die Viertelstunde reicht uns aus und wir stehen pünktlich wieder am Auto. Von Mr. Pon ist allerdings weit und breit nichts zu sehen. Unsere Laune erreicht den Nullpunkt.
Als er endlich angewackelt kommt steigen wir wortlos ins Auto und er merkt wohl auch endlich, dass wir nicht so ganz happy sind mit dem Verlauf des Ausflugs. Er hüllt sich in Schweigen und konzentriert sich auf’s Fahren. Und wir entdecken eine Art Galgenhumor.
Auf dem Weg zurück nach Chiang Rai kommen wir durch Chiang Saen; das ist die Alte Stadt, wo es noch einiges an ganz alten Bauwerken, bzw. Ruinen zu besichtigen gäbe. Ein Teil der Stadtmauer und auch einige Tempelruinen, ähnlich wie in Ayutthaya oder Sukhothai – das wäre eigentlich schön gewesen, aber an einen Stop ist nun nicht mehr zu denken! Es ist bereits fünf Uhr und der Tempel schliesst um halb sechs……Wir haben allerdings die Hoffnung sowieso schon aufgegeben, dass wir es noch pünktlich schaffen und als Mr. Pon zur Stimmungsaufhellung amerikanischen Softpop aus den 70gern auflegt können wir uns vor Lachen kaum mehr halten.
Es ist schon nach sechs als wir endlich beim Weissen Tempel ankommen. Wir können nun das Innere des Tempels nicht mehr besichtigen, aber von Aussen können wir ihn noch bewundern. Es ist fast niemand mehr hier und da gerade die Sonne untergeht herrscht eine ganz besondere Stimmung. Wir lassen uns von diesem ungewöhlichen Zuckerbäckertempel verzaubern und machen ein paar tolle Fotos. Dann setzen wir uns ganz gemütlich auf eine Bank, dem Tempel gegenüber, geniessen das Schauspiel des Sonnenuntergangs und machen uns so unsere Gedanken darüber, wie es doch immer wieder so kommt, dass Dinge und Begebenheiten, die wir als negativ bewerten und daher ablehnen, sich im Nachhinein sehr oft als die grössten Glücksfälle entpuppen. Wieder einmal hat das Universum uns eine Möglichkeit geschaffen, zu erkennen und zu lernen, ins Vertrauen zu gehen und die Dinge so zu nehmen, wie sie sind.
Erst als es schon ganz dunkel ist können wir uns von dem zuaberhaften Anblick des Tempels lösen und Mr. Pon fährt uns zurück in unser Hostel. Wir machen uns bloss kurz frisch und spazieren dann gleich wieder los, um unsere hungrigen Mägen zu füllen. Wir finden ein hübsches, kleines Lokal und geniessen ein feines Abendessen. Anschliessend möchte Constanze noch kurz in den kleinen Teeladen, den sie gestern entdeckt hatte. Und während sie ihre Einkäufe macht und den Verkäufer in Grund und Boden handelt gehe ich mit Gabriele zwei Läden weiter, wo ich gestern eine kleine Galerie entdeckt hatte. Ein junger Künstler malt und zeichnet vor allem Gesichter und Tiere. Es gibt ein Elefantenbild, das ich ihr unbedingt zeigen möchte. Sie verliebt sich auf den ersten Blick in das Bild und nach einigem Hin und Her entschliesst sie sich tatsächlich zum Kauf. Schnell wird sie sich mit dem Maler handelseinig und bekommt ihr Bild professionell reisefertig verpackt.
Sie ist so happy, dass ihr gleich die Glückstränen kommen, was mich natürlich sofort ebenfalls zum Heulen bringt. Na, und Constanze, die gerade um die Ecke kommt heult auch gleich mit. Wir sind schon so ein Haufen…..