Um dem grössten Besucheransturm auf den Weissen Tempel zu entgehen hatten wir beschlossen, mit dem ersten möglichen songteaw zum Tempel zu fahren. Wir erfahren, dass dies so gegen halb acht Uhr frühestens möglich sei.
Also stehen wir auch heute früh auf, genehmigen uns ein gemütliches Frühstück im Garten und spazieren dann in die Stadt zur songteaw Station. Es sind auch jede Menge Fahrzeuge da und die Fahrer – mitten im morgendlichen Nachrichten und Neuigkeiten austauschen – sind sehr hilfsbereit und zeigen uns, welches wir nehmen müssen. Wie meistens beim songteaw wird erst losgefahren wenn der Wagen voll ist, was bedeutet, dass wir noch ein bisschen warten müssen. Dann geht es kreuz und quer durch die Stadt, Leute steigen ein und aus, Waren werden eingeladen und teilweise abenteuerlich verstaut – eine Ladung aus mehreren grossen Kisten plastikverpackter Backwaren wird teils im Fahrgastraum, teils auf dem Dach und teils auf dem äussseren Trittbrett festgezurrt – immer wieder wird gestoppt und unsere Geduld auf eine harte Probe gestellt. Aber irgendwie ist das ja auch toll und verschafft uns einen ganz eigenen Blick in den morgentlichen thailändischen Alltag und in die wirklich ausgeklügelten logistischen Methoden der Menschen hier.
Endlich sind alle Leute in der Nähe ihrer Arbeitsstellen ausgestiegen, alle Waren sind ausgeliefert und nur noch wir drei sitzen vereinsamt auf den Bänken. Unser Fahrer gibt Gas und verlässt die Stadt – der Weisse Tempel liegt ziemlich weit ausserhalb. Als wir ankommen ist es schon halb neun durch, aber es geht noch mit den Massen.
Wir gehen direkt über die Brücke in das Innere des relativ kleinen Tempels. Es gibt einen grossen goldenen Buddha, einen etwas kleineren weissen Marmorbuddha und eine Wachsfigur des ersten Abtes des (alten) Tempels. die Wände sind mit Szenen aus Siddartha Gautamas (Buddha) Leben geschmückt; in einer Ecke arbeitet eine Malerin. Eine deutschsprachige Führerin erzählt ihrer völlig uninteressierten österreichischen Reisegruppe die Geschichte des Tempels – wir stellen uns dazu und hören mit, was sie mit einem erfreuten und dankbaren (?) Lächeln quittiert.
Vor 700 Jahren wurde der Tempel ursprünglich gegründet, allerdings wurde er in seiner jetztigen künstlerischen Form erst 1997 begonnen. Seitdem wird ständig weiter gebaut und verziert – und das wird wohl noch rund 10 Jahre so weitergehen, je nach Spendenlaune der Gläubigen. (Die Tempel und Klöster finanzieren sich komplett über Spenden.)
Im vergangenen Jahr gab es in dieser Gegend ein heftiges Erdbeben, das auch den Tempel stark in Mitleidenschaft gezogen hat. Und obwohl die meisten Spuren inzwischen beseitigt wurden kann man doch noch deutlich Schäden am Haupt- und einigen Nebengebäuden erkennen. Und auch abgesehen von den Restaurierungen wird überall gepinselt und verziert und verschönert.
Wir schauen uns alles genau an und beobachten auch die Malerin eine Zeitlang bei ihrer Arbeit. Als die erste chinesische Busreisegruppe eintifft verlassen wir fluchtartig den Tempel und verlegen unsere weitere Besichtigung nach draussen. In diversen Nebengebäuden ist beispielsweise eine Bibliothek untergebracht und ein Museum, das dem hinduistischen Gott Ganesha gewidmet ist, der auch im Buddhismus verehrt wird. Hier können wir im Hinterhof den Restauratoren bei der Arbeit zuschauen. Sie giessen aus Gips die einzelnen Teile einer grossen Ganesha Statue, die dann zusammengesetzt wird und von Hand bemalt und vergoldet wird.
Ausserdem gibt es ein sehr prachtvolles Krematorium. Es ist das einzige Gebäude, das bereits fertiggestellt ist. Die kunstvollen Verzierungen scheinen aus Zuckerguss geformt zu sein und in den Millionen kleiner Spiegelchen, die als Mosaik an diesen Verzierungen angebracht sind glitzert die Sonne und gibt dem ganzen Gebäude eine richtig prachtvolles Aussehen.
Plötzlich stehen wir vor einem grossen goldenen Gebäude. Das ganze Haus ist golden! Es ist im gleichen Stil gebaut, wie alle anderen Nebengebäude des Tempels, aber es ist eben nicht weiss, sondern golden und – jetzt halt dich fest! – beherbergt die Toiletten! Warst du schon einmal ein einem goldenen Klohäuschen?? Wir schmeissen uns fast weg….
Dann kaufen wir uns die sogenannten Buddhablätter. Buddha erlangte seine Erleuchtung unter einer Pappelfeige und seither wird dieser Baum besonders geachtet. In jedem buddhisitschen Kloster steht mindestens einer und in allen Tempeln werden stilisierte Blätter in die Kunstgegenstände eingebaut.
Hier gibt es so eine Art Kette an der ein blechernes Buddhablatt hängt. Man kann darauf einen Wunsch, ein Gebet oder einen Segen für sich oder seine Familie schreiben und dann hier im Kloster an speziell dafür vorgesehene „Bäume“ hängen. Die Mönche des Tempels schliessen diese dann in ihre Gebete mit ein. Es gibt hier mittlerweile Abertausende von diesen Gebets-Buddhablättern!
Wir setzten uns an einen grossen Tisch und beschriften unsere Blätter als sich gerade neben uns fünf Mönche hinsetzen und auch ihre Blätter beschriften! Ist das nicht ein Ding? Sie haben viel Spass bei ihrer Beschriftung und lassen sich gutmütig dabei von uns beobachten und auf Nachfrage auch fotografieren.
Überhaupt sind die Mönche in Thailand recht leutselig. Sie werden zwar mit grossem Respekt behandelt und es gibt bestimmte Regeln zu beachten (z.B. darf eine Frau einen Mönch nicht anfassen) aber sie sind offen für Fragen und lassen sich durchaus auch mal knipsen.
Wir schlendern noch ein wenig herum und schauen uns noch die vielen Einzelheiten an – zum Beispiel gibt es rund um die Brücke zum Tempel viele Köpfe, die aus dem umgebenden Wasser kommen und teilweise schlimme Fratzen sind, die Hände hilfesuchend nach oben gestreckt wie Ertrinkende; dann hängen ganze Köpfe in einzelnen Bäumen, teils an berühmte Persönlichkeiten erinnernd, mit Haaren dran und so…..ist irgendwie ein bisschen seltsam und wir wissen auch nicht, was der Künstler damit ausdrücken wollte.
Wir beobachten eine Schulklasse kleiner Kinder, als ganz plötzlich die Masse an Touristen über uns hereinbricht! Ehrlich, es war bisher schon voll aber jetzt müssen mindestens fünf Busse gleichzeitig angekommen sein, denn innerhalb weniger Minuten ist das gesamte Tempelgelände überschwemmt von lauten, drängelnden, chinesischen Touristen. Wir flüchten in ein ruhiges Café und beglückwünschen uns zu unserem Pech=Glück, das wir gestern abend so spät hier waren und so alles so wundervoll und in Ruhe geniessen konnten!
Ja, und dann ist unsere Zeit in Chiang Rai zu Ende. Wir holen unser Gepäck aus dem Hotel und fahren mit dem Überlandbus wieder zurück nach Chiang Mai. Alles klappt reibungslos und die Fahrtbegleiterin beglückt uns damit, dass sie sich im Bus mit einem knallgrünen Schirm vor der Sonne schützt! Grins…..
Da wir stadteinwärts leider ein wenig im Stau standen haben wir im Hotel nur kurz Zeit, um uns ein wenig frisch zu machen, denn heute abend werden wir abgeholt zu einem sogenannten Khum Khatoke Dinner.
Khum Khatoke Dinner sind den ehemaligen thailändischen Festgelagen nachempfunden. Früher war es üblich und bezeugte den Reichtum einer Familie wenn bei einer Feierlichkeit, wie beispielsweise einer Hochzeit Unmengen von Essen aufgefahren wurden. Man sass auf dem Boden, tafelte über Stunden hinweg und liess sich von Tänzerinnen unterhalten. Heute gibt es diese Tradition nur noch in den nachempfundenen Dinnern, die für die Touristen veranstaltet werden.
Unser Minibus kommt noch früher als ausgemacht, um uns abzuholen, aber wir sind gerade so fertig geworden, sinkenaufatmend in die Sitze und lassen und zum Ort des Geschehens kutschieren. Wir kommen an ein riesiges Areal, wo reichlich Andrang herrscht….unsere Erwatungen sinken ein gutes Stück. Natürlich haben wir gewusst, dass dies eine rein touristische Veranstaltung ist, aber hier ist halt doch schwer was los…..
Wir werden von einer hübschen jungen Dame in Empfang genommen, ziehen unsere Schuhe aus und werden dann von ihr zu unserem Platz begleitet. Oh – Überraschung!!! Wir kommen in einen grossen Garten wo überall Bambusmatten auf dem Boden ausgelegt sind auf dem diese tollen thailändischen Dreieckskissenmatten liegen. Alles ist hübsch ausgeleuchtet und sieht einladend aus. Unser Platz ist direkt an der Bühne!! Drei strahlende Mädels nehmen Platz und freuen sich auf einen tollen Abend.
Es wird uns ein kleines rundes Tischchen gebracht auf dem allerlei Schüsselchen stehen: es gibt gebackene Pilze und frittierte Bananen, sautiertes Gemüse und zwei verschiedene scharfe Tofugerichte (Vegetarische Version konnte man so vorbestellen) gedämpften Reis mit diversen Dips und Klebreis zum Einstippen. Alles schmeckt ziemlich gut und noch während wir schlemmen beginnt die Show. Es gibt viele verschiedene Tänzerinnen in diversen traditionellen Trachten (teilweise auch willkürlich durcheinander gemischt, was wir nun, da wir ja mehrere Dörfer der verschiedenen Ethnien besucht haben, leicht erkennen können), Trommler und Schwertkämpfer. Ein bunter Reigen aus Folklore, Tradition und Phantasie – sicher nicht die beste Show meines Lebens, aber bunt und sehr unterhaltsam.
Den Abschluss der Show bildet ein gemeinsames Tanzen, will sagen, die Tänzerinnen holen sich Leute aus dem Publikum, die dann die einfachste traditionelle Schrittfolge mittanzen sollen. Da wir an forderster Front sitzen sind wir natürlich auch fällig…..ganz ehrlich?! Eigentlich find ich es doof (Tourikrma und so…) aber irgendwie ist es auch witzig und macht Spass. Also versuche ich die Schritte nachzuahmen und auch wenn ich meine Finder nicht so elegant verbiegen kann wie die jungen Thai Tänzerinnen, so mach ich doch keine soo schlechte Figur. Constanze und Gabriele freuen sich ein Loch in den Bauch und lachen sich halb tot…..
Und dann ist es plötzlich vorbei. Ein letzter Trommelschlag und der Garten leert sich in Minutenschnelle. Draussen auf dem Parkplatz versuchen wir unseren Fahrer wiederzufinden und lassen uns dann wieder in die Altstadt fahren. Das war echt schön.
Und weil es ja auch unser letzter gemeinsame Abend ist wollen wir noch gar nicht schlafen gehen, sondern gehen noch ein bisschen aus. Wir nehmen einen Drink, albern herum, lachen und haben viel Spass. Aber der Abschied liegt schon in der Luft.